Wie die Frage und die erste Antwort bereits beinhalten, so gibt es für beide Optionen Vor- und Nachteile.
Ich möchte hier eine Lanze brechen für den Beginn im Großen und erläutere Gefahren, welche ich schon in mehreren Unternehmen genau so beobachten konnte:
Zielerreichung
Falls es konkrete Ziele der Transformation gibt (was leider zu selten der Fall ist), dann stellt sich die Frage, ob diese erreicht werden können, wenn man nur einen Teil transformiert.
Beispiel: Wir wollen die Feedbackzyklen mit den Anwendern vergleichen. Wir fangen eine Transformation im Kleinen an und nehmen nur die Softwareentwickler mit. Dann haben wir einen Großteil der Länge eines Feedbackzyklus, welche wir mit dieser Transformation gar nicht verändern können. Anforderungsstellung, Konzeption, nachgelagerter Test und Auslieferung sind dann weiterhin möglich sehr langwierig, auf wenige Termine im Jahr festgelegt und ob sich im Inneren des Unternehmens die Entwicklung anders aufstellt, hat für den Endkunden und den Feedbackzyklus mit Anwendern keine spürbare Bedeutung.
Eine fehlende Zielerreichung in Kombination mit Kosten und Schmerzen bei der Transformation können dafür Sorgen, dass Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Transformation wachsen und diese gestoppt wird, noch bevor sie richtig gestartet ist.
Abhängigkeiten
Ein Kernelement einer agilen Transformation sind cross-funktionale Teams, welche Mehrwert für den Kunden/Anwender in kurzen Abständen liefern können. Was kann hier alles schief gehen, wenn man nur einen Teil des Unternehmens transformiert? Möglicherweise ist die Software mit so vielen Abhängigkeiten/Schnittstellen versehen, dass Änderungen nur in Kombination mit Änderungen in durch Schnittstellen versehenen Produkten ausgeliefert werden können. Die Verkürzung vom Lieferzyklus ist also durch diese Abhängigkeit möglicherweise stark begrenzt. Besprechungen in Retrospektiven, welche die Probleme aufdecken, können zu Frustrationen führen wenn es immer nur heißt, dass man da nichts machen könne (weil die anderen Bereiche eben noch nicht verändert werden sollen). Zusätzlich werden die potentiellen Verbesserungen nicht sichtbar, da die internen Veränderungen nicht bei den Anwendern/Kunden wahrnehmbar sind.
Karrieremodell
In vielen Organisationen gibt es wenig Aufstiegschancen für die Entwickler, so dass sie gezwungen werden, die Rolle zu wechseln, um weiter aufzusteigen. Das verändert je nach Unternehmen die Zusammensetzung eines Teams sehr häufig, so dass es schwer ist, stabile Teams zu bekommen. Gleichzeitig werden diese ehemaligen, erfahrenen Entwickler dann in andere Rollen gesteckt, wie z.B. Scrum Master oder Product Owner, welche sich dann einmischen in die Art der Umsetzungen, da hier ihre eigentliche Leidenschaft und ihre Erfahrung liegt, so dass sie es dem Team erschweren sich selbst zu organisieren und sich selbst erschweren, ihre eigentliche Rolle zu fokussieren.
In vielen Organisationen müssen außerdem Mitarbeiter darstellen, welches ihr Anteil an bestimmten Erfolgen ist, um damit Beförderungen oder Gehaltserhöhungen zu begründen. Dies sind individuelle Ziele, welche Teammitglieder zu Kontrahenten machen, was hinderlich ist, ein Team zu sein. Werden hier dann diejenigen Mitarbeiter belohnt, welche sich nach dem alten Modell richten (jeder denkt an sich, stellt seine Erfolge heraus, schiebt Probleme auf andere und ignoriert Priorisierungen, wenn es dem eigenen Erfolg im Wege steht), kann das in Kombination mit der Demotivation der anderen Mitarbeiter die Transformation massiv erschweren.
Dies nur als 3 Beispiele, was passieren kann, wenn man zu klein anfängt. Ich plädiere trotzdem aus meiner Erfahrung dafür, möglichst klein anzufangen, aber: Die Größe sollte so gewählt sein, dass Ziele auch erreichbar sind und das auftretende Probleme und Lösungen nicht auf eine Zeit in 3 Jahren geschoben werden, wenn auch andere Bereiche transformiert werden sollen, sondern möglichst schnell ernst genommen und angegangen werden, so dass bei Bedarf der Bereich der Transformation auch kurz- bis mittelfristig ausgeweitet und nicht an einem festen Plan der Transformation festgehalten wird.