Zunächst: wenn das Umfeld keine Fehlerkultur kennt, dann wird es auch mit dem Mut schwierig werden, sich ein anspruchsvolles Sprintziel zu setzen. Dies zeigt sich dann meist darin, dass die Sprintziele ohne größere Risiken erreichbar sind. Das bedeutet gleichzeitig, dass eigentlich mehr geht.
Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, wenn das Team dem wirklichen Kunden so nah wie möglich steht. Dies sorgt dafür, dass das Team hautnah miterlebt, was die Erwartungshaltung des Kunden ist. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass zumeist alle Mitarbeiter dem Kunden gegenüber immer eine gute Figur machen möchten. Insofern, wenn ein Kunde seine Enttäuschung ausdrückt, dass nicht mehr erreichbar ist oder wurde, dann wird ein Team aus sich selbst heraus mit hoher Wahrscheinlichkeit versuchen, mehr aus sich herauszuholen.
Andererseits habe ich die Erfahrung gemacht, dass zwar Story Mapping und Event Storming sehr gut geeignet sind, gute Sprintpläne zu erarbeiten, die fokussiertes Arbeiten erlauben. Gleichzeitig aber das Commitment für ein anspruchsvolles Sprintziel dennoch nicht gegeben ist. Es reicht nicht aus, wenn z.B. NUR ein Releaseplan erreicht werden will und dieser Releaseplan von der Projektleitung oder der Führungsebene kommuniziert wird, die von den Teams (zwar nicht offensichtlich, aber insgeheim) womöglich negiert wird. Dies schafft kaum Eigenmotivation. Ein enttäuschter Kunde hingegen schon eher.
Was auch hilft, wenn im Sprint-Review möglichst der Kunde selbst, sowie auch Leute aus der Führungsebene und Projektleitung anwesend sind. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, ich erlebe es aber oft anders. Damit einhergehend wird auch ein Team sein Sprintziel nicht so ernst nehmen, wenn es scheinbar 'Niemanden' interessiert, was man im Sprint erreicht hat. Diese gruppendynamische Erkenntnis und Wirkung auf die Motivation eines Teams sind in der Organisation oft nicht bekannt oder werden daher nicht ernstgenommen und folglich geht die nicht unerhebliche Wirkung für die Organisation verloren. Um ein Bewusstsein in der Organisation dafür zu schaffen, reicht es manchmal schon aus, diese wichtige Erkenntnis auszusprechen. Jeder Mensch ist in der Lage, diesen Sachverhalt emotional nachzuvollziehen.
Ich habe Scrum Master erlebt, die die Meinung vertreten haben, man dürfe ein Team nicht drängen, schließlich hätte das eine schädliche Wirkung auf die Motivation. Ich stimme dem nicht zu. Vielmehr bin ich der Meinung, dass es unbedingt notwendig ist, das Enttäuschung gezeigt wird, wenn Enttäuschung da ist. Allerdings wäre es eine wenig zielführende Folgemaßnahme, daraus den Teams zu sagen, ihr 'müsst' jetzt dies und das erreichen.
Hingegen kann der Scrum Master z.B. nach einem Review, indem der Kunde seine Enttäuschung geäußert hat in der anschließenden Retrospektive mit dem Team an Ideen arbeiten, wie man wieder glückliche Gesichter beim Kunden erreichen kann. Z.B. indem man für die Folgesprints viel enger mit dem Kunden (mindestens vertreten durch den PO) von vorne herein Erwartungshaltungen für den Sprint klärt und sich gemeinsam festlegt, was möglich sei und wo auch Risiken liegen. Dies fördert den Mut des Teams, sich mehr zuzutrauen, gerade weil man gemeinsam das Sprintziel erarbeitet hat.