Zuerst einmal kann ich ihr Unwohlsein ob dieser schwierigen Situation verstehen. Es ist mit Sicherheit sehr schwer, die Stimme gegen eine Meinung zu erheben, die offensichtlich von mehreren geteilt wird. Und natürlich ist es sehr verständlich, wenn man in der Abwegung der Folgen das anzusprechen zu der Erkenntnis kommt es nicht anzusprechen, da man ja vielleicht von den "Sprüchen" selbst nicht unbedingt persönlich betroffen ist, mit den Konsequenzen dagegen anzugehen aber direkt zu tun hätte.
Ich möchte Ihnen aber Mut zu sprechen, es nicht einfach zu akzeptieren. Ich finde aber so funktioniert eine Gesellschaft, in der ich leben möchte, einfach nicht. Das würde ja bedeuten, dass es damit auch ein Stück weit akzeptiert oder eben zumindest geduldet wird. Das darf in meinem Verständnis nicht sein! Daher möchte ich Sie in dem Gedanken bestärken, dass Thema anzugehen.
Aber wie gesagt, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das eine schwierige Situation ist.
Vielleicht hilft es Ihnen zwischen ganz schwarz ("Ich sage nichts") und ganz weiß ("Ich petze beim Chef") auf die Suche nach Graustufen zu gehen, bzw. iterativ an das Problem ran zu gehen. Sie schreiben, dass aus ihrer Sicht das Unternehmen und die Geschäftsführung die definierten Werte ernst nehmen. Sie könnten also versuchen diese Einschätzung zu überprüfen, in dem Sie nach Äußerungen, Beispielen, Veröffentlichungen der Geschäftsleitung suchen, die das Bestätigen, oder eben widerlegen. Damit könnten Sie versuchen ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, wie man in der Geschäftsführung darauf reagieren würde, wenn Sie das Thema offen ansprechen. Sie könnten dazu auch versuchen mit einem komplett anderen Beispiel, dass sich auf die Einhaltung der Unternehmenswerten bezieht, bei der Geschäftsführung vorstellig zu werden. Und wenn Sie damit das Gefühl bestätigen, dass es der Geschäftsführung ernst damit ist, sprechen Sie das ursprüngliche Thema offen an. Wenn Sie zu einer anderen Erkenntnis kommen, würde ich den Weg zur Geschäftsführung nicht weiter gehen, da es dann wahrscheinlich auch nicht dazu beitragen wird, dass die Gesamtsituation besser wird. In diesem Fall, gehen Sie auf die Suche nach anderen Möglichkeiten, wie sie z.B. auch in den anderen Antworten hier auf ihre Frage gegeben werden.
Wenn Sie es ansprechen, würde ich versuchen, es selbst nicht als "petzen" zu verstehen, sondern es mit dem Fokus darauf transparent zu machen, dass das Verständnis der Geschäftsführung zu Werten offensichtlich nicht bei allen Mitarbeitenden angekommen ist und Sie daran mitwirken wollen, dass das besser werden kann.
Schildern Sie dazu möglichst sachlich die Situation und ihre Wahrnehmung/Einschätzung in wie fern sich das negativ auf die Berücksichtigung der Werte auswirkt. Versuchen Sie nicht ihrer Geschäftsführung einen konkrete Vorgabe zu machen, wie diese aus Ihrer Sicht damit umgehen soll, sondern lassen Sie die Entscheidung darüber im Ermessen der Geschäftsführung. Es ist nicht ihre Aufgabe dieses Problem zu beseitigen. Sie machen es zuerst einmal nur Transparent, damit es einer Lösung zugeführt werden kann. Damit behandeln Sie direkt ihre Einschätzung, dass es ja "unfair wäre, nichts zu sagen". Diesen Aspekt kann ich aus meiner eigenen Perspektive als Geschäftsführer extrem gut nachempfinden. Ich wünsche mir möglichst frühzeitig, über wichtige Dinge, die in unserem Unternehmen nicht so laufen, wie sie sollten, informiert zu werden damit ich reagieren kann. Und dann möchte ich mir gerne ein eigenes Bild davon machen und möchte mir eine eigene Meinung dazu bilden. Das wird schwerer, wenn mir jemand kommt mit "Dafür muss der Herr X oder die Frau Y aber doch zumindest eine Abmahnung bekommen".
Dabei sollten Sie auch durchaus Verständnis dafür aufbringen, dass in der ersten Reaktion auch ein Geschäftsführer nicht unbedingt begeistert davon sein muss, dass er/sie sich jetzt um dieses Thema kümmern darf/muss. Geschäftsführer sind auch nur Menschen
Spätestens langfristig wird es Ihnen sicherlich gedankt werden, da den meisten Geschäftsführern bewusst sein wird, dass die Kosten/der Aufwand zur Behebung eines Problems mit zunehmender Existenz steigen und es somit gut ist, wenn man es früh weiß.
Ich beende meine Antwort hier und beschränke mich auf diesen einen Ansatz, damit es noch einigermaßen "verdaulich" erscheint.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Bewältigung dieser Herausforderung.